Coronakrise

Das Coronavirus hat uns nach wie vor fest im Griff. Abstand halten, keine sozialen Kontakte und die Einhaltung der Hygieneempfehlungen bestimmen den Alltag. Die Maßnahmen dienen jedoch nicht nur dem eigenen Schutz, sondern sollen auch Personen der Risikogruppe vor einer Infektion bewahren. Vor allem behinderte Menschen in der Coronakrise sowie deren Angehörige stehen vor einer großen Herausforderung.

Wie soll ich meiner Tochter erklären, dass ich sie nicht besuchen darf

Im Internet und in Zeitschriften kann man derzeit viele nützliche Tipps nachlesen, wie man sich und seine Familie durch die Coronakrise bringt, ohne an einem Lagerkoller zu verzweifeln. Künstler, wie beispielsweise der Rapper Sido auf youtube, bieten den Leuten Unterhaltungssendungen im Netz an, andere geben den Menschen die Möglichkeit, über sich und ihre Sorgen zu berichten. Dazu gehört der Moderator Jürgen Domian, der im wdr die Sendung “Domian live: Sorgentelefon in der Corona-Krise” moderiert und den Zuschauern ein offenes Ohr schenkt.

In der Folge vom 3. April rief bei dem Moderator die Mutter einer schwerbehinderten jungen Frau an. Die 23-jährige Tochter lebt in einer Einrichtung und darf derzeit keinen Besuch empfangen. Dieses Schicksal betreffe nicht nur sie, sondern viele weitere Personen, so die Mutter. Das größte Problem: Die schwerbehinderte Frau ist nicht dazu in der Lage, die derzeitige Situation zu begreifen. Die Sorge, die sich daraus ergibt: Die Tochter könnte denken, man interessiere sich nicht mehr für sie. Aus diesem Grund bat die Mutter das Personal, der Tochter zu erklären, dass niemand zur Zeit Besuch empfangen dürfe. Bleibt nur zu wünschen, dass die junge Frau dazu in der Lage ist, diese Tatsache zu verstehen und sich wegen dieser schweren Situation nicht alleine und verlassen fühlen muss.

Geistig behinderte Menschen in der Coronakrise: Über die Notwendigkeit fester Strukturen

“Wir würden uns freuen, wenn die Regierung uns und unsere teils schwerbehinderten Kinder mit gänzlich anderen Herausforderungen bitte nicht vergisst”

Stephanie Loos

Dieses Zitat stammt von einer Mutter, deren 18-jähriger Sohn Autist ist. Am 29.03. berichtet der Spiegel in dem Artikel “Attest für den Spielplatz” über das Schicksal zweier Mütter, die sich aufgrund der Coronakrise in einer sehr schweren Situation befinden. Eine der Frauen ist die 45-jährige Berlinerin Stephanie Loos, die seit der Corona-bedingten Schließung der Schulen am Rotieren sei. Ihr Sohn Mattes leidet unter einer schweren Form des Autismus. Es seien vor allem die klaren Strukturen sowie die wiederkehrenden Abläufe, die er brauche. Mattes brauche die Möglichkeit raus zu gehen und sich an der frischen Luft auszupowern. Vor allem das Schaukeln spielt eine große Rolle in seinem Leben. Dieser Handlungsfreiraum und somit der Erhalt der alltäglichen Strukturen spielt eine sehr bedeutende Rolle, da er andernfalls aggressiv reagiere und somit nicht nur sich, sondern auch seine Mutter in Gefahr bringe. Eltern, die sich in ähnlichen Situationen befinden, stehen vor einer großen Herausforderung. Die Frage, die sich für Loos stellte, war vor allem die nach dem Wie. Wie soll der Junge in die Schule kommen? In der Regel fahre Mattes mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies sei jedoch aufgrund der Ansteckungsgefahr nicht möglich. Er spucke ab und zu, fasse alles an. Ein großes Problem! Jeder, der jetzt an ein Behindertentransport denkt, darf nicht vergessen, dass dieser für viele geistig behinderte Personen eine Abweichung von dem Gewohnten bedeutet und somit nicht ohne Weiteres in Anspruch genommen werden kann.

Vorerkrankungen sind ein Problem

Ein weiteres Problem, das mit der Notbetreuung verbunden ist: Viele beeinträchtigte Menschen leiden unter Vorerkrankungen. Somit stellt jeder direkte Kontakt aufgrund der Ansteckungsgefahr ein zusätzliches Risiko dar. Viele Einrichtungen und Werkstätten mussten schließen. Allein in Nordrhein-Westfahlen sind rund 80.000 behinderte Menschen ohne Arbeit. Sie müssen von dem Personal der Wohneinrichtungen oder den Eltern betreut werden. Auch eine digitale Vernetzung ist für viele Personen mit einer kognitiven Beeinträchtigung kaum möglich.

Verständlicherweise ist die Sorge bei den Betroffenen in dieser Zeit besonders groß. Umso wichtiger ist es, dass sich die Gesellschaft an die vorgeschrieben und empfohlenen Maßnahmen hält.

Auch im Netz spielt das Thema eine Rolle. Unter dem Hashtag “Risikogruppe” rufen Menschen, die betroffen sind, dazu auf, sich solidarisch mit ihnen zu zeigen und die schnelle Ausbreitung zu verhindern. Ein bekannter Aktivist ist Raul Krauthausen. Er schreibt auf seinem Instagram-Account unter anderem “#Risikogruppe wird übersehen: Wohneinrichtungen für Menschen mit #Behinderung erhalten nicht den nötigen Schutz!” oder “diese #Corona-Scheiße ist fucking ernst.
Bleibt daheim und schützt die #Risikogruppe vor einer Ansteckung mit #covid_19!”. Krauthausen ist jedoch nicht nur auf Instagram aktiv. Auch in dem Blog “Viele Grüße aus der Riskikogruppe“, auf Twitter oder in Interviews äußert sich der Aktivist regelmäßig.

Fazit

In diesem Artikel werden nur einige wenige Beispiele genannt, die jedoch stellvertretend für viele Menschen in Deutschland stehen. Das Coronavirus ist für uns alle eine Herausforderung. Vor allem der (immer näher rückende) Lagerkollaps macht uns zu schaffen und die Sehnsucht nach der gewohnten Freiheit wird größer. Dennoch sollten wir uns an die Empfehlungen und Vorschriften halten, direkte soziale Kontakte meiden und die Hygienemaßnahmen einhalten. Hier geht es nicht nur um unser Wohlbefinden, sondern um Menschenleben. Diese Tatsache herunterzuspielen ist nicht nur fatal, sondern auch höchst ignorant.

Bildquelle: Pexels/ Polina Tankilevitch