Niedrige Fleischpreise

Seitdem die katastrophalen Bedingungen in einigen Fleischereien wieder in aller Munde sind, wird fleißig über eine notwendige Erhöhung des Fleischpreises debattiert. Aber ist die Erhöhung der niedrigen Fleischpreise tatsächlich die Lösung, um gegen die katastrophalen Zustände für Tier und Mensch vorzugehen?

Bevor wir beginnen

Vorab möchte ich betonen: Ich halte im Grunde jede Preisdiskussion um Tierleben für völlig wahnwitzig. Viele Menschen halten die günstigen Preise, die wir beispielsweise bei Aldi oder Lidl vorfinden, für eine absolute Frechheit. Dass aber selbst das Doppelte oder Dreifache den Tod eines Lebewesens nicht rechtfertigt, wird dabei oft vergessen. Höhere Preise, so heißt es, würden jedoch dafür sorgen, sowohl den Tieren als auch den Mitarbeiter*innen bessere Lebensbedingungen zu verschaffen.

Es geht mir hier keineswegs darum, die Ernährungsweise einzelner Personen anzugreifen. Ich vertrete die Meinung, dass jeder für sich selbst wissen muss, wie er beziehungsweise sie sich ernährt. Egal, ob die Person jeden Tag, monatlich oder gar kein Fleisch verzehrt. Das geht mich nichts an und soll auch nicht Thema dieses Textes sein.

Ich möchte lediglich darauf hinweisen, dass im Grunde die Diskussion, wie viel ein Tierleben wert ist, vor allem im Sinne der in diesem Text vertretenen Auffassung, sehr grenzwertig ist. Dennoch muss über die Thematik “Fleischpreise” gesprochen und diskutiert werden.

Julia Klöckner fordert höhere Fleischpreise

Kaum wird in den Medien vermehrt über die katastrophalen Arbeitsbedingungen und den Umgang mit Tieren in den großen Fleischereie

n dieses Landes gesprochen, meldet sich unter anderem die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu Wort:

Und genau um diese großen Betriebe soll es in diesem Text auch gehen. Die Darstellung, höhere Fleischpreise würden bessere Bedingungen für Tier und Mensch in Betrieben wie Tönnies oder Danish Crown schaffen, halte ich für großen Unfug. Diese Aussage impliziert nämlich, dass es aufgrund der niedrigen “Ramschpreise” bisher nicht möglich gewesen sei, solche Maßnahmen umzusetzen.

Frau Klöckner fordert inzwischen eine Tierwohlabgabe, die den Preis pro Kilogramm um 40 Cent steigen ließe (1). Ehrlich gesagt, halte ich allein den Begriff “Tierwohlabgabe” für völlig lächerlich. Was konkret soll denn damit erreicht werden? Dass die Kühe bis zum Tag ihres Todes friedlich auf einer Weide grasen und Hühner sich bis an ihr Lebensende frei an der frischen Luft bewegen dürfen? Dass das nicht der Fall sein wird, ist doch wohl offensichtlich.

Niedrige Fleischpreise: Die geizigen Konsumenten tragen die Schuld?

Bezüglich der Forderung nach höheren Fleischpreisen spricht die Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke) von einer empörend arroganten Debatte, die am eigentlichen Thema vorbeigehe (2).

Es entsteht der Eindruck, dass der geizige Konsument, der sich nicht dazu bereit erklärt, mehr Geld für Fleisch auszugeben, Schuld an den katastrophalen Bedingungen sei. Dass dies jedoch damit zusammen hängen könnte, dass viele Menschen überhaupt nicht dazu in der Lage sind, sich regelmäßig das teurere Fleisch zu leisten, wird dabei völlig ignoriert.

Ich möchte an dieser Stelle erneut betonen, dass es mir nicht darum geht, zu diskutieren, ob Menschen weniger Fleisch essen sollten. Ich stütze mich an dieser Stelle auf die Tatsache, dass nach wie vor ein großer Teil unserer Gesellschaft regelmäßig Fleisch verzehrt. Laut einer bei Statista veröffentlichten Statistik (3) sinkt zwar der Fleischkonsum in Deutschland, summiert sich 2019 jedoch immerhin auf rund 59,5 Kilogramm pro Kopf im Jahr. Der Gesamtverbrauch in Deutschland beläuft sich auf 87,8 Kilogramm (hier werden unter anderem auch der Tierfutterverbrauch sowie Produktverluste mit einbezogen).

Gehen wir also davon aus, dass der geizige Konsument Schuld an den miserablen Zuständen in den großen Fleischereien dieses Landes ist. Woran könnte das nur liegen? Unter anderem vielleicht an dem riesigen Niedriglohnsektor, der in den letzten Jahren geschaffen wurde oder eventuell auch an den teilweise frechen Renten, die Menschen erhalten, die 40 Jahre lang schwerste körperliche Arbeit geleistet haben? Vielleicht können es sich viele Menschen, die eben dieses Discounter-Fleisch kaufen, nicht leisten, zu den teureren Produkten zu greifen. Und die Betroffenen müssen sich jetzt von wohl verdienenden Politiker*innen anhören, dass sie, auch wenn dies nur unterschwellig gesagt wird, der Grund dafür seien, dass Tiere gequält und Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben müssten? Wie heuchlerisch und unsinnig das ist, zeigt sich, wenn man genauer hinschaut.

Niedrige Fleischpreise: Die Viktimisierung der großen Schlachtbetriebe

Um herauszufinden, ob die niedrigen Fleischpreise dafür verantwortlich sind, dass Tiere gequält und Menschen unter miserablen Zuständen leben und arbeiten müssen, lohnt es sich, einen Blick auf einen großen Schlachterbetrieb zu werfen.

Die Unternehmensgruppe Tönnies ist ein mehrstufiges in der Lebensmittelbranche tätiges Familienunternehmen. In acht Geschäftsfeldern erwirtschaftete das international agierende Unternehmen mit ca. 16.500 Mitarbeitern 2018 einen Jahresumsatz von 6,65 Milliarden Euro. Im Kerngeschäft befasst sich das 1971 gegründete Unternehmen mit der Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Veredelung von Schweinen, Sauen und Rindern.

toennies.de (4)

Laut dem Manager Magazin (19. September 2019) verarbeitet Herrn Clemens Tönnies stündlich mehr als 2374 Schweine zu Steak oder Schnitzel. Das ergibt eine Summe von 20,8 Millionen Tiere pro Jahr. Außerdem schreibt Martin Mehringer, Verfasser des Artikels, dass die “auf Effizienz getrimmte Maschinerie” dafür sorge, “dass Fleisch billig und Tönnies (Vermögen 1,7 Milliarden Euro) reich geworden” sei (5). Fakt ist: Herrn Tönnies hat Geld im Überfluss. Während also von der Notwendigkeit berichtet wird, dass Konsumenten mehr Geld für Fleisch ausgeben müssten, damit bessere Arbeitsbedingungen für die Angestellten und Lebensbedingungen für die Tiere geschaffen werden, verdient sich Clemens Tönnies eine goldene Nase. Und nun die Frage: Warum herrschen in einem Betrieb solch dramatische Zustände, während andere sich im Geld baden? Fragen Sie doch mal den uneinsichtigen, egoistischen Konsumenten.

Was außerdem interessant ist, ist, dass der Betrieb enorme Einnahmen allein durch den Fleischverkauf im internationalen Raum erzielt. Laut Wagenknecht verkauft das Unternehmen über die Hälfte seiner Produkte ans Ausland. Dort sollen laut der Politikerin deutlich höhere Preise verlangt werden, als es in unseren Discountern und somit in Deutschland der Fall ist. Und trotz dieser Einnahmen, die nicht den “Ramschpreisen” entsprechen, werden Menschen unwürdig behandelt und Tiere gequält.

Es ist demnach völlig wahnwitzig zu glauben, dass höhere Preise automatisch bessere Bedingungen schaffen würden. Lediglich der immense öffentliche Druck auf diese großen Unternehmen oder entsprechende Gesetzesänderungen könnten etwas bewirken. Eine maßgebliche Veränderung aufgrund des Geldes zu erwarten, halte ich für lächerlich.

Bildquellen:
Pexels/Matthias Zomer
Quellen:
1: tagesschau.de (26.06.2020): Harsche Kritik an Klöckners “Fleischgipfel”
2: Sahra Wagenknecht (25.06.2020): Tönnies Schweinesystem und grüne Arroganz. Muss Fleisch teurer werden?
3: Statista: Fleischkonsum pro Kopf in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2019

4: Tönnies: Über uns