Vom 17. bis zum 19. Januar fand in Frankfurt am Main die von dem AK Politische Theologie organisierte Fachtagung “Kirche, Theologie und AfD” statt. Kernpunkte der Tagung waren eine sozialwissenschaftliche Analyse der Partei und ihres gesellschaftlichen Kontextes, gefolgt von theologischen Reflexionen und einer abschließenden Podiumsdiskussion, in der Vertreter*innen neue Perspektiven und Konsequenzen diskutierten, die sich aus der Tagung ergaben. Der AK Politische Theologie ist eine Gruppe von Theolog*innen aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Die Mitglieder setzen sich aus politisch-theologischer Perspektive mit der rechten Normalisierung auseinander und gegen diese ein. Aus diesem Grund stellt sich die Gruppe u. a. die Frage, wie Christ*innen in unterschiedlichen Handlungsfeldern mit der AfD, ihren Funktionär*innen und Anhänger*innen künftig umgehen sollten. „Jede fundierte kirchliche Positionierung bedarf der Suche nach präzisen theologischen Begründungen, um die es zu ringen und für die es zu argumentieren gilt. Die Tagung soll für diesen wichtigen Prozess einen Beitrag leisten“, schreibt der AK auf seiner Website.

An der Tagung nahm unter anderem die Theologieprofessorin Dr. Marianne Heimbach-Steins teil, die bereits im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2017, in der Grundpositionen der AfD und der katholischen Soziallehre verglichen wurden, äußerte: „Die Analyse des Parteiprogramms und öffentliche Äußerungen von Parteiverantwortlichen zeigt, dass in vielen Bereichen maßgebliche Differenzen zur katholischen Soziallehre bestehen“. In der Tagung wies die Katholikin darauf hin, dass man sich neben der Diskussion über den Umgang mit der AfD auch mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen in der katholischen Kirche selbst auseinandersetzen müsse. In der Debatte bestehe manchmal die Gefahr, „dass wir nur nach außen gehen“, jedoch auch die innerkirchliche Diskussion eine „besonders wichtige Aufmerksamkeit“ verlange. Dazu sei eine theologische und politische Positionierung nötig. Sie vertritt außerdem die Meinung, dass man im Umgang mit AfD-Positionen zwischen Sympathisanten, Funktionären und Mitgliedern unterscheiden müsse. So könne man zum Beispiel bei Protestwählern versuchen, Zweifel zu säen.

Dr. Hubert Wissing, der seit 2010 Leiter der Arbeitsgruppe Kirche und Gesellschaft im ZdK-Generalsekretariat ist, plädierte dafür, in der innerkirchlichen Diskussion „die Gesprächsfäden nicht zu früh zu kappen“. Das ZdK stehe in der großen Verantwortung, die Katholiken in Deutschland möglichst breit zu repräsentieren. Wissing beschäftigt sich unter anderem mit politischen und ethischen Grundsatzfragen.

Der Dipl.-Sozialpädagoge Andreas Belz von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus ist der Meinung, dass sich auch innerhalb der Gemeinden Positionen der AfD fänden. “Wir müssen auch hinter der eigenen Tür kehren”, sagte der Mitarbeiter des Diözesanverbands des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in Mainz. Belz plädierte dafür, sich auf die Menschen in den Gemeinden zu konzentrieren, “die wir noch erreichen”. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) ist ein ökumenisches Netzwerk von Projektstellen, Organisationen und Basisinitiativen, die sich mit der Wahrnehmung und präventiven oder interventiven Bearbeitung von GMF (Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit) und rechtsextremen Orientierungen im Raum der Kirche befassen.

Thomas Arnold, der ebenfalls an der Tagung teilnahm, ist Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Bereits vor wenigen Jahren äußerte er, dass „in einer pluralen und schnelllebigen Welt“ neue Fragen entstünden, die man nur differenziert beantworten könne. „Die Katholische Akademie bleibt der Ort, um Menschen über Konfessionsgrenzen hinweg über diese Themen miteinander ins Gespräch zu bringen und gemeinsam darüber zu diskutieren.“ Ähnliches äußerte Arnold auch während der Tagung. Er erklärte, dass die Kirche die Verunsicherung vieler Menschen ernst nehmen und auch Raum für einen ordentlichen Streit bieten sollte. Dabei sei es aber wichtig, dass Haus- und Diskussionsregeln erstellt und auch durchgesetzt würden.

Was alle Diskussionsteilnehmer kritisierten, ist das Bemühen von AfD-Funktionären, den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer politisch für sich zu vereinnahmen. Belz erklärte, er gehe davon aus, dass die Evangelische Kirche in Deutschland auf diese Vereinnahmung von Bonhoeffer reagieren werde. AfD-Politiker vergleichen den Widerstand Bonhoeffers gegen die NS-Diktatur mit ihrer eigenen Rolle in der heutigen Gesellschaft.

Dass sich die AfD häufig als ein Opfer des Systems wahrnimmt, wird immer wieder in Reden, Interviews und Schriften deutlich. Björn Höcke betonte in seiner Dresdener Rede vom Januar 2017, dass „vor allen Dingen auch die Angstkirchen“ für die Auflösung Deutschlands verantwortlich seien: Sie „lösen unser liebes deutsches Vaterland auf wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl. Aber wir, liebe Freunde, wir Patrioten werden diesen Wasserstrahl jetzt zudrehen, wir werden uns unser Deutschland Stück für Stück zurückholen!“ In einer am 29. Mai 2017 gehaltenen Pressekonferenz kritisierte der Bundessprecher Jörg Meuthen viele katholische und evangelische Würdenträger. Diese seien scheinbar zu keinem Gespräch mit der AfD bereit. Vielmehr unterstelle man ihr unberechtigterweise rassistische und fremdenfeindliche Positionen, die nicht mit dem christlichen Menschenbild vereinbar seien. Das streitet der AfD-Politiker jedoch ab. Der Disput zwischen Kirche und AfD hält bis heute an.

Die Diskussionsteilnehmer der Tagung wiesen auch darauf hin, dass die Positionierung des Ökumenischen Kirchentags zur AfD noch offen sei. Er findet im Mai 2021 in Frankfurt statt. Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2019 in Dortmund hatte sich gegen AfD-Vertreter auf seinen Podien entschieden, der Katholikentag 2018 in Münster hatte sich der Diskussion mit einem AfD-Politiker gestellt.

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