Ich bin schockiert. Seitdem ein völlig irrelevantes Lied eines Kinderchors im WDR ausgestrahlt wurde, rastet Deutschland aus. Instrumentalisierung von Kindern? War das Satire? Darf man das eigentlich? Sind alle Gegner des Liedes Nazis? Diese Fragen werden mit einer Inbrunst und Oberflächlichkeit diskutiert, dass mir schlecht wird.

Ein gutes Beispiel bietet die Plattform Twitter. Bis zum heutigen Tag wird über das Thema geschrieben, Beiträge werden fleißig mit ähnlichen Wortlaut kommentiert, es wird beleidigt und Großeltern verteidigt. Ziel des Ganzen? Hoffentlich möglichst viele Herzchen und positive Antworten erhalten oder den Hauptgewinn kassieren: Neue Follower. Denn was sollte es anderes sein? Konstruktive Debatten lassen sich nicht mit 280 Zeichen führen. Irrelevante Diskussionen jedoch schon. Das versteht auch jeder. Das braucht keine Vorbereitungszeit, Anstrengung oder nennenswerte kognitive Kompetenzen. Es wird wild drauf los geschrieben, ohne Anspruch, ohne einen kleinen Moment des Innehaltens. Das Traurige daran: Während sich ein beachtlicher Teil der deutschen Gesellschaft mit großer Leidenschaft seiner Verblödung hingibt, leben in Deutschland circa 48.000 Menschen auf der Straße, werden rassistische Inhalte im Netz verbreitet, wird eine muslimische Minderheit in chinesischen Lagern gefangen gehalten oder Menschen in Libyen verlieren während eines Luftangriffs ihr Leben.

In Deutschland wird derzeit zu Recht über den wachsenden Rechtsruck in der Welt gesprochen und wenn es nach mir ginge, würde das in einem noch weitaus größeren Umfang stattfinden. Aber keinesfalls mithilfe eines veröffentlichten unwichtigen Kinderliedes und auf Basis niveauloser, überflüssiger Kommentare, die ein Interesse an einem so ernsten Thema vorheucheln.